Drecksarbeit für sauberen Strom
Der Blick unter die Erde ist bei einem Windpark genauso spannend wie der nach oben: Die Verlegung der kilometerlangen Mittelspannungskabel ist für Tiefbauexperten wie die Schulte-Perk GmbH aus dem Saterland eine komplexe Aufgabe. Wir werfen einen Blick auf die Baustelle.
Die Erweiterung des Windparks im niedersächsischen Damme um sechs neue Windräder ist in vollem Gange: Eine Zugmaschine mit einem 15 Meter langen Kabelzugsystem im Schlepp biegt auf den Feldweg im Borringhauser Moor ab. Neben einem Graben kommt der 30-Tonnen-Koloss zum Stehen. Dort wartet bereits Dieter Thomas, Projektleiter beim Rohrleitungsbauunternehmen der Schulte-Perk GmbH. Drei Trommeln mit einadrigen Mittelspannungskabeln vom Typ NA2XS(F)2Y ruhen auf dem Kabelzugsystem. Das Kabel ist dank seinem widerstandfähigen Außenmantel aus Polyethylen besonders robust und hält auch starken mechanischen Beanspruchungen bei der Verlegung und im Betrieb stand. Es ist außerdem längswasserdicht, das heißt, das Wasser kann sich innerhalb des Kabels nicht entlang der Adern ausbreiten und die Ummantelung lässt keine Feuchtigkeit zu den innen liegenden Leitern durch.
Übertragungsverluste minimiert
Die Männer von Schulte-Perk ziehen von jeder Trommel ein einadriges Mittelspannungskabel herunter und bündeln alle drei zu einem Kabelsystem. An Streckenabschnitten, die auch mit großen Maschinen gut zu erreichen sind, rollen sie Meter für Meter Kabel ab und legen sie gebündelt parallel zum Graben aus. Ihnen folgt ein Bagger, der mit äußerster Vorsicht den dreiadrigen Strang in ein vorgefertigtes Sandbett im Graben auslegt. Der Graben ist 120 Zentimeter tief und 60 Zentimeter breit. Überall dort, wo das nicht möglich ist, ziehen die Männer von Schulte-Perk die Kabel mit reiner Muskelkraft an Ort und Stelle. „Wir arbeiten hier im Borringhauser Moor an zwei Trassenabschnitten. Jeder führt ein Kabelsystem, das für jeweils drei der insgesamt sechs Windräder vorgesehen ist“, sagt Thomas. Das NA2XS(F)2Y-Mittelspannungskabel, das dort zum Einsatz kommt, hat einen Querschnitt von 150 Quadratmillimetern. „Die Aufteilung ist notwendig, um auf der vier Kilometer langen Kabelstrecke die Energie ohne große Übertragungsverluste abzutransportieren. Denn je länger die Trasse, desto mehr Energie geht verloren“, berichtet Thomas. An der Koppelstation treffen die Kabelstränge beider Kabelsysteme aufeinander. Ab hier wird die erzeugte Energie in nur einem Kabelbündel zur Übergabestation in unmittelbarer Nähe des Umspannwerks geführt. „In diesem Abschnitt mussten wir drei Einzeladern mit einem Querschnitt von 630 Quadratmillimetern verlegen. Immerhin wird damit die Energie von allen sechs Windrädern transportiert und nur so können wir auch hier die Übertragungsverluste so gering wie möglich halten“, sagt Thomas. Die Übergabestation richtet die ABE-Gruppe aus Hamburg ein, sie sind Experte für Anlagen und Betriebstechnik der Energieversorgung. Diese Station kennzeichnet nicht nur einen physischen, sondern auch einen juristischen Punkt. Sie gehört zum Umspannwerk, das von einem lokalen Versorger betrieben wird. Er speist die Energie in das Drehstromnetz ein.
Tief unter die Erde
Das Team von Schulte-Perk ist bereits einige Hundert Meter vorangekommen. Im Graben liegen neben den schwarzen Mittelspannungskabeln auch Kunststoffrohre und eine Kupferleitung. „Die Kupferleitung erdet das System und verhindert Spannungsunterschiede zwischen der Koppelstation und den Windkraftanlagen“, erklärt Thomas. Die Rohre schützen Glasfaserkabel, die später noch eingezogen werden und Daten und Steuerbefehle übermitteln. Sie dienen dann auch der Fernwartung und liefern alle Informationen aus den Windrädern auf den Monitor des Windparkbetreibers. Spannend wird es für die Tiefbauer von Schulte-Perk vor allem an den Stellen, an denen sie Wege, Bäche, Wasserleitungen oder andere vorhandene Infrastrukturen kreuzen. „Da müssen wir tief unter die Erde“, sagt Thomas. Bei einer Straßenkreuzung beispielsweise greifen Thomas und seine Kollegen auf die Spülbohrung zurück. Dafür fräsen sie sich mit einem Bohrkopf durch den Boden, ehe der Kanal mit einem Aufweitkopf bis auf den benötigten Durchmesser gebracht wird. Kniffelig wird es, wenn die Bohrung eine Kurve macht – unter Umständen 10, 20 oder 50 Meter lang. Und auch die Beschaffenheit der Erde verändert sich ständig, weshalb Betonit im Bohrwasser den Kanal stabilisiert. Das zu meistern, zählt zu den Kompetenzen, die Schulte-Perk für Aufträge wie diese so interessant macht.
Qualitätstest bestanden
Dieter Thomas geht über die Feldwege und schaut sich weitere Baumaßnahmen des Windparks an. Auf einem Acker liegen schon die rot-weißen Rotorblätter bereit, die nur darauf warten, ihre Arbeit aufzunehmen. Die Fundamente der Windräder stehen und die Tiefbauarbeiten sind so gut wie abgeschlossen. Nach und nach werden auch die Windkraftanlagen aufgestellt. Anschließend erfolgt die Hochspannungsprüfung der montierten Mittelspannungskabel. Dabei wird jeder Trassenabschnitt mit einer Prüfspannung von 54.000 Volt eine Stunde lang getestet, obwohl die Kabel bei laufendem Betrieb maximal 30.000 Volt übertragen müssen. Die Mittelspannungstrasse mit dem größeren Querschnitt hat den Test bereits Ende November bestanden. „Bevor wir alle Gräben wieder zuschütten, müssen wir uns ganz sicher sein, dass alles funktioniert“, sagt Thomas. „Der Betreiber des Windparks kann sich darauf verlassen, dass die von uns verlegten und montierten Kabel vor der Inbetriebnahme den technischen Regelwerken entsprechend geprüft wurden.“ Der Windpark ist somit einschaltbereit.
Bis die Räder sich drehen
Erwartungsgemäß bestand die Trasse den Test und transportiert wie geplant seit Dezember 2016 den Strom aus den sechs neuen Windrädern ab. Berthold Klatte, Geschäftsführer der WPD Windpark Damme GmbH & Co. KG, ist froh, dass sich die Räder endlich drehen. 55 Millionen Kilowattstunden im Jahr können sie erzeugen. Damit sind sie genauso leistungsstark wie die 15 Altanlagen. „Im Dezember wurde es zwar etwas hektisch auf der Baustelle, aber die Inbetriebnahme durch Siemens lief ebenso reibungslos wie die Tiefbauarbeiten von Schulte-Perk“, sagt Klatte. „Wirklich erstaunlich, wie schnell es dann geht, wenn es auf der Baustelle endlich losgehen kann. 2008 haben wir mit der Planung und den Genehmigungsverfahren angefangen – zwischendurch stand das Projekt sogar komplett auf der Kippe.“ Ein Seeadler nistete sich in der Nähe des Parks ein. „Der Kompromiss war dann, auf vier der anfangs geplanten zehn Windräder zu verzichten. Damit konnten wir ausreichend Abstand zum Naturschutzgebiet einhalten“, erzählt er. Jetzt hat der Seeadler seine Ruhe und sauberer Strom fließt aus dem Windpark in die Haushalte der Region.